Nicht nur eine Frage der Ästhetik: Laufen mit Stil ..

Olympia-Arzt Kindermann: Tipps für den Einstieg

Als Arzt hat er mit der Fußball-Nationalmannschaft und der Olympia-Equipe die wichtigsten Teams im deutschen Sport betreut. Für laufen.de ist Professor Wilfried Kindermann als Experte tätig und verrät im Interview, wie Läufer von seinen Erfahrungen im Hochleistungssport profitieren können.

 

Herr Professor Kindermann, was kann ein Läufer aus ärztlicher Sicht von den Profi-Fußballern lernen, die Sie als Arzt der Fußball-Nationalmannschaft jahrelang betreut haben?

Man sollte die Frage eher umgekehrt stellen: Fußballer können sich – wenn sie es wollen – sehr viel von Läufern abschauen. Sie ernähren sich meist bewusster als Fußballer und machen sich auch viel mehr Gedanken um ihr Training. In den vergangenen Jahren war auch der Trend zu erkennen, dass erfolgreiche Fußballteams viele Trainingsinhalte übernommen haben, die ihren Ursprung in der Leichtathletik und im Laufen haben. Das reicht von den Prinzipien des Intervalltrainings über Übungen für die Koordination bis hin zum Krafttraining.

Aber es gibt doch sicher ein paar Tricks der besten Athleten, die auch für Hobbysportler nützlich sind?

Tricks hin oder her – sowohl im Leistungssport als auch im Breitensport gibt es individuelle Besonderheiten oder eben Tricks. Manches aus dem Spitzensport ist aber nicht unbedingt zur Nachahmung zu empfehlen. Denken Sie nur an die Vielzahl der Nahrungsergänzungsmittel, die dort verwendet werden und die von der Werbung auch im Hobbysport propagiert werden. Die meisten kosten Hobbysportler nur Geld und haben außer dem Placebo-Effekt keinen messbaren Vorteil.

Warum ist Laufen der ideale Sport, um in jedem Alter so fit wie möglich zu sein?

Die ganz einfache Antwort ist: Weil es jederzeit und überall möglich ist. Sie brauchen keine Geräte, keine Halle, keinen Sportplatz. Ein Paar gute Schuhe und funktionelle Bekleidung reichen. Medizinisch betrachtet spricht für das Laufen, dass große Muskelgruppen dynamisch belastet werden. 30 Minuten Laufen mindestens jeden zweiten Tag ist ausreichend, um deutliche gesundheitsrelevante Trainingseffekte zu erzielen – und das gilt von Kindesbeinen bis ins hohe Alter.

Gilt das auch für Menschen mit chronischen Krankheiten?

Die positiven Effekte des Laufens sind für einige Erkrankungen durch Studien wissenschaftlich belegt. Wir wissen, dass Menschen, die an Diabetes, Bluthochdruck oder Störungen des Fettstoffwechsels leiden, durch das Laufen weniger Medikamente brauchen. Laufen hilft ihnen, ihre Lebensqualität zu steigern. Es kann aber auch die Anfälligkeit für Erkrankungen reduzieren.

Worauf müssen Einsteiger achten, die endlich ihre guten Vorsätze in die Tat umsetzen wollen?

Am Anfang ist der Ehrgeiz oft zu groß, dann nimmt man sich zu lange Strecken vor und gibt frustriert auf, weil das Ziel nicht erreicht wird. Der Einstieg fällt Menschen, die zuvor überhaupt nicht oder nur sehr wenig sportlich aktiv waren, leichter, wenn sie sich zunächst eine halbe Stunde lang bewegen und dabei immer wieder zwischen Laufen und Gehen wechseln. Ob das Tempo stimmt, lässt sich zu Beginn ganz einfach und ohne jede Technik ermitteln. Sie benötigen nur einen Begleiter. Solange Sie sich mit dem unterhalten können, übertreiben Sie es nicht.

In einer Studie Ihres Instituts in Saarbrücken wurde aber belegt, dass Training ruhig anstrengend sein darf. Können Sie erläutern, was das für Freizeitläufer konkret bedeutet?

In dieser Studie ging es nicht um Einsteiger, sondern um fortgeschrittene Läufer. Wir haben mit den Mythen aufgeräumt, die sich um die Fettverbrennung ranken. Jahrelang wurde im Fitnessbereich gepredigt, man müsse so langsam wie möglich laufen, um viel Fett zu verbrennen. Dabei ist das aus physiologischer Sicht Unsinn. Zwar ist bei langsamem Tempo der Anteil der Fettverbrennung am Energiestoffwechsel am höchsten, aber bei dieser Milchmädchenrechnung lässt man außer Acht, dass der absolute Energieverbrauch mit höherer Geschwindigkeit auch größer wird. Insgesamt wird in der gleichen Zeit also mehr Fett verbrannt, wenn Sie schneller laufen, vorausgesetzt Sie überschreiten die Ausdauergrenze nicht. Dass Sie diese Grenze überschritten haben, erkennen Sie daran, dass Sprechen schwerfällt oder gar nicht mehr möglich ist. Bei so hohem Tempo sinkt dann auch die Fettverbrennung deutlich.

Gehen Läufer eigentlich anders mit Schmerzen und Wehwehchen um als Fußballer?

Das kommt drauf an: Im Mannschaftssport lässt der einzelne Spieler ganz gerne Trainingseinheiten ausfallen, wenn es ihm nicht ganz so gut geht. Läufer tendieren eher dazu, ihren Plan auch dann zu erfüllen, wenn eine Pause aus medizinischer Sicht ratsam wäre. Im Wettkampf lassen sich alle nur von schweren Verletzungen bremsen.

Viele Läufer nehmen allerdings vor Wettkämpfen Schmerzmittel ein. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie lesen, dass über die Hälfte der Teilnehmer am Bonn-Marathon mit Schmerzmitteln an den Start gegangen ist?

Das ist erschreckend. Vor allem für diejenigen, die auf eigene Faust Medikamente einnehmen, ohne vor dem Rennen an Beschwerden zu leiden, habe ich kein Verständnis. Die einmalige oder kurzfristige Einnahme von Schmerzmitteln ist vertretbar, solange keine ärztlichen Bedenken bestehen. Wer aber die muskulären Beschwerden, die ein Marathon häufig verursacht, nicht oder nur mit Schmerzmitteln ertragen kann, sollte solche Belastungen sein lassen.

 

Quelle: http://www.laufen.de/articles/1506